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Die Zehn Spirituellen Vollkommenheiten

Heute ist der 31. Dezember 2555.  Im Allgemeinen wird dies als der letzte Tag des Jahres bezeichnet oder häufiger als Silvester.  An diesem speziellem Tag denken eine Menge Leute nur daran, sich zu amüsieren und versuchen dann, dies zu erreichen, indem sie Freude in sinnlichem Vergnügen und materiellen Dingen suchen.  Ferner werden viele Leute zu diversen Unterhaltungsorten gehen, weil die meisten Leute  in der Welt denken, dass sie dort Freude und Spaß erleben werden.

Alle, die sich heute Abend hier versammelt haben, ob Ordinierte oder Laien, teilen das gemeinsame Ziel, Dukkha  (Leid, Unzufriedenheit)  (1) zu überwinden und wahre Glückseligkeit in im Leben zu erfahren.
Indem wir zum abendlichen Chanting und zur Meditation kommen, widmen wir uns alle den verdienstvollen Handlungen, die Sittenregeln zu beachten, Meditation zu praktizieren und schließlich einen Dhamma-Vortrag zu hören. (2)  Und da wir uns dafür entschieden haben, hier zu sein, bauen wir die Paramis (3) im Herzen auf, anstatt die Zeit fruchtlos verstreichen zu lassen.  Es ist wichtig, dass wir immer wieder versuchen, die zehn spirituellen Vollkommenheiten zu stärken, denn, wenn wir das tun,
widmen wir uns dem Übungspfad, dem alle Buddha und deren Schüler, welche ein Arahant (4) wurden, folgten.  Sie bauten alle zehn spirituellen Vollkommenheit langsam auf und haben sie bis zur vollen Reife entwickelt.

 

Es ist interessant, zu betrachten, wie die Buddha und ihre Schüler, welche ein Arahant wurden, die Dana (Großzügigkeit) Parami (5) entwickelt haben.  In jedem menschlichen Leben brachte sie ihr gütiges Wesen dazu, gerne Verdienst zu bewirken, indem sie sich in Großzügigkeit übten.  Immer wenn sie die Mittel und Wege hatten, wollten sie ihren Reichtum einfach mit anderen teilen, je nachdem wie groß ihre Bereitschaft zu geben war und auch je nachdem wie geeignet der Zeitpunkt und die Gelegenheit war.

 

In jedem ihrer Leben bemühten sie sich auch ihre Sīla (Tugend) (6) Parami zu stärken.
Auch wir sollten das gleiche tun.  Wenn wir genug Bewusstheit und Weisheit besitzen, um den Schaden in der Übertretung einer der Sittenregeln zu sehen, werden wir ganz natürlich den Nutzen darin sehen, jede der fünf Regeln einzuhalten. (7)  Jene, die den Nutzen in der Einhaltung der acht Regeln (8), der zehn Regeln eines Novizen oder der 227 Regeln eines voll-ordinierten Mönchs sehen, werden sie dementsprechend einhalten.  Die Fähigkeit, eine größere Anzahl von Regeln einzuhalten, hängt natürlich von der Stärke der eigenen Entschlossenheit ab, dies zu tun.


Die Nekkhama (Entsagung) Parami (9) zu pflegen erfordert, dass wir unser Haus, unsere Familie und die Gesellschaft verlassen.  Dabei geben wir unsere Arbeit und Verantwortung auf, um der Entwicklung unserer Dhamma-Praxis  mehr Zeit zu geben.
Man kann sich dafür entscheiden, geeignete Plätze für die Praxis aufzusuchen wie Wälder, Berge oder Höhlen, während einige Leute (wie ihr selbst) es bevorzugen, in einem Kloster zu praktizieren.  Man trifft die Wahl des Ortes immer mit dem Ziel, mehr Zeit der Einhaltung der Sittenregeln zu widmen und den Geist durch Meditations-Praxis
weiterzuentwickeln.  Indem wir hierher kommen, um zu meditieren, üben wir auch, das Anhaften an andere Menschen, an unsere Häuser, unseren Reichtum und einfach an alles loszulassen.  Man erfährt wirklich, wie es sich anfühlt, wenn man all diese Dinge aufgibt.  Jedes Mal wenn man als Mensch geboren wird, ist diese Parami zu verstärken.


Die Stärkung der Pañña (Weisheit) Parami (10) hängt davon ab, inwieweit die Fähigkeiten der Achtsamkeit und Weisheit bereits hervorgetreten sind.  Diese beiden Fähigkeiten helfen uns, den Nutzen oder die Tugend darin zu sehen, fortwährend gute Taten zu vollbringen und uns mit all unseren Kräften in Großzügigkeit zu üben.  Dies wird uns auch helfen, den Schmerz und die Gefahr beim Verbleiben in Samsara zu sehen, dem unaufhörlichem Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt.  Wenn wir dies deutlich sehen können, dann werden wir imstande sein, die Natur von Dukkha, geistigem als auch körperlichem, zu sehen und klar zu verstehen, indem wir sehen, dass es niemanden gibt, der Krankheit, Alterung und Tod entkommen kann, ganz gleich wie oft man wiedergeboren wird.

Sobald wir die Weisheit besitzen, die Gefahr in Samsara wahrzunehmen, müssen wir dann unsere Achtsamkeit und Weisheit nutzen, um zu versuchen, einen Ausweg aus diesem Kreislauf zu finden.  Der Ausweg daraus besteht darin, unsere Anhaftung an absolut alles loszulassen.  Nur dann werden wir uns von allem Leid und aller Unzufriedenheit befreien.


Wenn wir die Khanti (Langmut) Parami (11) entwickeln, müssen wir die geistige Stärke besitzen, um Kälte, Hitze und allerlei körperliche Beschwerden zu ertragen.

Die geistigen Unannehmlichkeiten, die von unseren Gedanken, Stimmungen und Gemütserregungen geschürt werden, müssen auch geduldig ertragen werden.  Die Entwicklung der Khanti Parami stärkt unsere Herzen, damit wir sowohl körperliche als auch geistige Unannehmlichkeiten erdulden können.

 

Die Entwicklung der Viriya (Beharrlichkeit) Parami (12) erfordert, dass wir stets bestrebt sind, die Kilesas (Verunreinigungen) (13) von Gier, Hass und Verblendung aus unseren Herzen zu beseitigen.  Wir sollten uns mit Geduld und Ausdauer dem Praktizieren von Sitz- und Gehmeditation willenskräftig widmen, um unseren Geist von allen geistigen Verunreinigungen zu befreien.


Die Sacca (Wahrhaftigkeit) Parami (15) muss schrittweise aufgebaut und gestärkt werden.  Wann immer wir ein Versprechen geben oder einen Entschluss fassen, müssen wir versuchen, diese zu einzuhalten.  In jedem Leben ist es wichtig, in dieser Weise zu praktizieren, nie zu schwanken oder den Mut zu verlieren.  Wer jedoch diese spezielle Vollkommenheit noch in starkem Maße zu entwickeln hat, der ist möglicherweise nicht immer imstande, wenn er ein Gelübde und Versprechen gibt, diese auch zu erfüllen oder ihnen ganz treu zu bleiben.  Wenn dies der Fall ist, müssen wir unsere Absicht wiederherstellen und es erneut versuchen.  Und sollten wir wiederum scheitern, dann versuchen wir es nochmals……Wie das Sprichwort sagt:

„Wenn du hinfällst, dann steh wieder auf und geh weiter."

Wir müssen unentwegt an unserer Praxis arbeiten und uns selbst schulen, entschlossen und beherzt zu sein.  Dann wird infolge dessen unsere Sacca Parami an Stärke zunehmen.


Bei der Adhitthana (Entschlossenheit) Parami (15) dreht sich alles darum, Ziele und Vorsätze aufzustellen und zu beschließen, diese dann einzuhalten.  Zum Beispiel:

„Möge ich alles Dukkha überwinden und wahre Befreiung, Nibbana, verwirklichen.“

Manche Menschen mögen ihr Bestreben zum Ausdruck bringen, indem sie sich wünschen, eine bestimmte Erleuchtungsstufe auf dem Edlen Pfad zur Befreiung zu erreichen, zum Beispiel:

„Möge ich immer nach der  Erreichung des Stromeintritts (16) streben.“

Sobald wir uns ein Ziel gesetzt haben oder ein Bestreben, müssen wir dann daran arbeiten, uns auf alle spirituellen Vollkommenheiten zu stützen, um unser Ziel zu verwirklichen.  Alle Buddhas praktizierten in dieser Weise, indem sie einen feierlichen Vorsatz fassten, ein zukünftiger Buddha zu werden.  Ihre Schüler, welche ein Arahant wurden, fassten auch feste Entschlüsse, wie zum Beispiel die spirituelle Praxis ganz bis zum Ende zu bringen und somit Arahantschaft, volle Erleuchtung, zu erreichen.  Hatten sie einmal einen Vorsatz gefasst, arbeiteten sie daran, die Ursachen und Bedingungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichten, die Paramis in dem erforderlichen Maß zu vervollkommnen, um ihr Ziel zu verwirklichen.  Wenn wir Vorsätze fassen, sollten wir das Höchste anstreben: Nibbana zu verwirklichen - alle geistigen Verunreinigungen im Herzen vollständig auszulöschen und somit Dukkha endgültig zu beenden.

Wenn wir am Ende des gegenwärtigen Lebens unsere Ziele noch nicht verwirklicht haben, werden die Vollkommenheiten, welche wir angehäuft haben, als unterstützende Bedingungen dienen, die Paramis in unseren künftigen Leben weiterhin zu vervollkommnen. Es dauert viele, viele Leben,
um die spirituellen Vollkommenheiten in solchem Maße aufzubauen, welches erforderlich ist, um unsere Ziele zu erreichen.  Aus diesem Grund muss man stets die Adhitthana Parami entwickeln, denn sie dient dazu, der spirituellen Praxis eine Zielrichtung vorzugeben.


Metta (Wohlwollen) (17) ist auch eine weitere Parami, die entfaltet werden muss.  Wir sollten versuchen, diese Qualität immer in unserem Herzen zu wahren.  Gefühle von Metta sollten nicht nur  auf uns selbst gerichtet werden, sondern auch auf alle Mitmenschen und allgemein auf alle empfindenden Wesen.  Wenn Metta entfaltet ist, versieht es uns mit einem Gegenmittel für
jegliches Gefühl von Wut, Übelwollen und Rache.  Wir müssen versuchen, diese Qualität jeden Tag zu pflegen, bis wir darin geschickt werden, und sie so zu zur unserer Gewohnheit oder Charaktereigenschaft wird. 

Alle jene, die sich fortwährend Metta widmen, neigen dazu sicher zu reisen und auf nur sehr wenige Hindernisse stoßen, wo auch immer sie hingehen.  Und das Herz all derer, die diese Qualität bis ins Unermessliche entfalten können, wird ganz natürlich in Ruhe und Kühle weilen.


Immer wenn wir uns unglücklich fühlen oder irgendeine Art von Leiden oder Unzufriedenheit spüren, müssen wir uns darin üben, die Upekkha (Gleichmut) Parami (17) zu entwickeln.  Das heißt, wir müssen die Fähigkeit entwickeln, unsere Herzen gleichmütig und neutral hinsichtlich aller Gefühle von Gefallen und Missfallen zu machen, welche bezüglich Formen, Lauten, Düften, Geschmacks- und Körperempfindungen entstehen könnten.  

Upekkhā ist eine weitere spirituelle Vollkommenheit, die entwickelt werden muss, bis sie im Herzen fest verankert ist.


Dies war nun ein kurzer Überblick über die zehn Paramis, die in jedem Leben, in dem die wir als Mensch geboren werden, ausgeübt und intensiv durchgeführt werden müssen.  Alle Buddhas mussten jede einzelne dieser zehn Paramis bis zu ihrer absoluten Vollkommenheit weiterentwickeln, wodurch sie die notwendigen Voraussetzungen für ihre höchste Erreichung des Selbst-Erwachens schafften.  Alle Arahants mussten jede der zehn Paramis im Verlauf ihrer spirituellen Praxis aufbauen, von weit zurückliegenden Leben an bis zu ihrem allerletzten Leben.  Und wenn alle zehn Vollkommenheiten genügend entwickelt waren, waren sie imstande. Nibbana, absolute Befreiung, zu verwirklichen.

Deshalb müssen wir diese Gelegenheit, die wir jetzt für unsere Entwicklung haben, wahrnehmen, indem wir sorgsam in die Fußstapfen des Buddha und seinen Schülern, welche ein Arahant wurden, treten.  Jeden Tag müssen wir unsere Sorgfalt, Aufmerksamkeit und Energie in die Entwicklung  alles Tugendhaften zusammen mit den zehn spirituellen Vollkommenheiten geben.  Während wir die spirituellen Vollkommenheiten weiterentwicklen, werden sie nach und nach an Stärke gewinnen und somit immer vollendeter werden.

 

Wenn wir uns  häufig in Großzügigkeit üben, wird unser Herz an Stärke zunehmen und wir werden auch gegen jegliche engherzige Neigung, die wir haben mögen, angehen, bis wir letztlich in der Lage sind, mit einem Herzen zu geben, das frei von jeglichem Zögern ist.
Im Laufe der Zeit wird ebenso unsere Bereitschaft, rechtes, sittliches Verhalten einzuhalten, nach und nach stärker werden.  Durch unsere Dhamma-Praxis werden wir fähig sein, die Geduld und Geistesstärke aufzubauen, welche notwendig sind, um uns vom Brechen einer der Sittenregeln abzuhalten.
Um uns in Entsagung zu üben, müssen wir einige Zeit fern von unserem Zuhause verbringen, so dass wir durch die Meditations-Praxis der Pflege und Stärkung unseres Geistes mehr Zeit widmen können. Vernachlässigen wir die Entwicklung dieser bestimmten Parami und kämen wir nie auf die Idee, das Kloster oder einen anderen ruhigen und geeigneten Ort aufzusuchen und hier zu bleiben, dann werden wir die Neigung entwickeln, Geschöpfe der Lust zu werden, die an ihrem Zuhause und all den Annehmlichkeiten, die es bietet, haften.  Außerdem werden wir weiterhin übermäßig besorgt sein, nicht nur hinsichtlich uns selbst, sondern auch hinsichtlich unserer Familien und Beziehungen.  Es ist das Anhaften an all diesen Dinge, das es für uns schwierig macht, von ihnen Abstand zu nehmen.  Wenn wir diese Parami in jedem Leben entwickeln, wird sie auf eine heilsame Weise bewirken, dass unser Geist entschlossen ist, und uns befähigen, mühelos alle unsere weltlichen Sorgen und Bedenken abzulegen.
Die übrigen Paramis der Weisheit, des Langmuts, der Beharrlichkeit, der Wahrhaftigkeit, der Entschlossenheit, des Wohlwollens und des Gleichmuts müssen ebenfalls in jedem einzelnen Leben verbessert werden, um unsere Herzen stark und entschlossen zu machen.  

 

Alle Paramis, die wir ausüben und aufbauen, vereinigen sich schließlich zu einer einzigen Kraft im Herzen, was bewirkt, dass unsere Herzen viel stärker sind als die Herzen jener, die der spirituellen Entwicklung noch nie irgendwelche Aufmerksamkeit geschenkt haben.  Deshalb stärkt es unsere Herzen erheblich, wenn wir uns in Gutem, Verdienstvollen und Heilsamen üben.
Sollten wir schon in früheren Leben die Stärke der Sila Parami gepflegt haben, werden wir es in diesem Leben nicht schwierig finden,  die fünf oder acht Sittenregeln einzuhalten.  Und einige Menschen werden nicht einmal Schwierigkeiten haben, die zehn Regeln eines Novizen oder die 227 Regeln eines voll-ordinierten Mönchs einzuhalten, denn sie haben die Sila Parami in ihren früheren Leben deutlich entwickelt und finden es somit verhältnismäßig einfach, in diesem Leben ein Mönch oder eine Nonne zu werden.  

Es gibt hingegen andere Menschen, die beim Wunsch, ein Klosterleben zu leben, auf andauernde Schwierigkeiten und Hindernisse stoßen.  Dies ist auf  die Tatsache zurückzuführen, dass sie die Sila Parami noch nicht im ausreichenden Maße angereichert haben.  Wahrlich gibt es sehr viele Menschen, die im jetzigen Leben nie fähig sein werden, das Klosterleben zu leben.  Wenn daher unsere Bereitschaft, rechtes, sittliches Verhalten einzuhalten, über viele Leben hinweg an Stärke gewinnen, wird somit auch unsere Sīla Parami stärker werden und wir werden die Sittenregeln mit immer größerer Leichtigkeit befolgen können.


Wenn wir Geistessammlung entfalten wollen, müssen wir dies oft in Verbindung mit dem Praktizieren von Entsagung tun, indem wir in die Berge, in Wälder und Höhlen oder an andere Orte der Abgeschiedenheit gehen, so dass wir uns der Meditations-Praxis  widmen können.  Falls wir in unseren früheren Leben viel Zeit und Mühe für die Entfaltung von Geistessammlung aufgebracht haben, wird es als eine unterstützende Bedingung dienen, welche sich bis in das jetzige Leben erstreckt,  und es wird uns leicht fallen, die meditative Ruhe der Geistessammlung zu entfalten.

Wer sich jedoch in seinen früheren Leben nicht bemüht hat, die Kraft der Geistessammlung aufzubauen, dem wird es schwerfallen, Geistessammlung im gegenwärtigen Leben zu entfalten.  Wenn wir uns darüber bewusst sind, dass unsere Fähigkeit, den Geist zu sammeln, schwach ist, dann müssen wir uns sehr viel Mühe geben, Geistessammlung in diesem Leben zu entfalten.
Wenn wir uns mit der Zeit mehr Mühe bei der Meditations-Praxis  geben, werden die Ruhe und Friedlichkeit der Geistessammlung nach und nach aufkommen.  Die Meditations-Praxis  bewirkt die Stärkung des Geistes und unterstützt ebenfalls die Entwicklung von Achtsamkeit und Langmut. Die Fähigkeit der Weisheit, oft ‚Achtsamkeit und Weisheit‘ genannt, wird ebenso nach und nach an Stärke gewinnen.


Der zu Nibbana führende Übungspfad, besteht darin, in Hülle und Fülle gute Taten zu tun und sich in Großzügigkeit zu üben, sowie Sila, Samadhi und Panna - sittliche Tugend, Geistessammlung und Weisheit - zu weiter zu entwickeln.  Die Weiterentwicklung all dieser Pfadglieder wird Sati-Panna, Achtsamkeit und Weisheit, entstehen lassen.  Es ist die Entwicklung von Achtsamkeit und Weisheit, die uns befähigt, die Vier Edlen Wahrheiten tiefgründig zu begreifen; das heißt, die Natur von Dukkha zu verstehen, seine Ursache, seine Beendigung und den zur Beendigung führenden Pfad. 

Wenn wir unsere Herzen im Einklang mit diesem Pfad umhegen, werden wir sie allmählich von aller Gier, Wut und Leid befreien.  Infolgedessen werden unsere Herzen langsam geläutert, bis sie
ganz rein sind.  Dieser Übungsweg verwandelt den Geist von seinem nicht erleuchteten Zustand in jenen eines Edlen - eines Wesens, das eine der vier Stufen der Erleuchtung auf dem Edlen Pfad zur Befreiung erreicht hat.  (19) 

Um die erste Stufe der Erleuchtung zu erreichen, die des Stromeintritts, erfordert, dass Achtsamkeit und Weisheit mächtig genug sind, um zu klar sehen, dass der Körper nicht der Geist und der Geist nicht der Körper ist.  Diese Einsicht wird den Geist verändern, indem sie unser Anhaften an den Glauben an das Dasein eines ‚Selbst‘ schwächt.  Und infolgedessen werden die Gemütserregungen von Gier und Wut auch kraftloser und geschwächt werden.  

Eigentlich ist es überhaupt nicht zu schwierig, dem Übungspfad des Buddha zu folgen.  Um die Kraft der Sittlichkeit zu entwickeln, sollte man stets die Sittenregeln aufrecht erhalten, für deren Einhaltung man sich entschieden hat, seien es fünf, acht, zehn oder 227 Regeln.
Hand in Hand damit müssen wir auch versuchen, uns jeden Tag für die Meditations-Praxis Zeit zu nehmen.  die geistige Ruhe und das Gleichgewicht, welche wir durch die Meditations-Praxis erreicht haben, erhalten können, wird unsere Achtsamkeit und Weisheit folglich
schärfer werden.  Wenn Formen, Laute, Düfte, Geschmacks- und Körperempfindungen erlebt werden, werden unsere Fähigkeiten der Achtsamkeit und Weisheit von allen entstehenden Gemütserregungen von Gier und Wut oder Zufriedenheit und Unzufriedenheit ganz leicht ablassen.  Der Geist wird die Vergänglichkeit aller entstehenden Gedanken, Stimmungen und Erregungen ständig sehen und kann daher leicht zur Gleichmut gebracht werden.


Sobald wir eine Grundlage der Geistessammlung in unseren Herzen geschaffen haben, werden unsere Achtsamkeit und Weisheit in der Lage sein, den Körper mit größerer Klarheit zu kontemplieren. Bei der Körperbetrachtung legen wir den Schwerpunkt auf unseren eigenen Körper.  Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten oder Methoden, die wir verwenden können, um den Körper zu kontemplieren, und sie sollten häufig praktiziert werden.
Zum Beispiel kann man sich aussuchen, die ‚zweiunddreißig Teile‘ zu kontemplieren.  Diese sind die einfachen Bestandteile, aus denen ein menschlicher Körper besteht.  Oder man zieht es vielleicht vor, bei den fünf hauptsächlichen Kontemplationsobjekten zu bleiben, nämlich Haare, Körperhaare, Nägel, Zähne und Haut.  Man sollte über jeden Teil nachsinnen mit dem Ziel, die inhärente Vergänglichkeit zu erkennen, denn alle Teile brechen schlussendlich auseinander und zerfallen.

Als Alternative kann man sich eine der Asubha-Betrachtungen über das Abstoßende und Unschöne am Körper vornehmen.  Asubha-Betrachtungen werden ebenfalls praktiziert, um die Vergänglichkeit des Körpers zu sehen, wie er die Phasen der allmählichen Zerfalls durchläuft, wobei ein besonderen Schwerpunkt auf den Verfall des Körpers nach dem Tod gesetzt wird.  

Eine andere Art der Körperbetrachtung besteht darin, den Körper in die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer zu zerlegen, um die Vergänglichkeit des Körpers und das völlige Fehlen irgendeiner beständigen Wesenheit zu erkennen, welche man ein ‚Selbst‘ oder ‚Sich Selbst‘ nennen könnte.  Infolge häufiger Körperbetrachtung wird der Geist beginnen, seine Identifizierung und Anhaftung an den Körper loszulassen.


Nachdem wir nur einmal die wahre Natur des Körpers klar gesehen haben, werden wir nicht einfach mit der Körperbetrachtung aufhören.  Wenn der Geist den Körper klar sieht, wird er erneut
in die Ruhe der Geistesssammlung eintreten.  Und haben wir den Geist in diesem Zustand in Frieden ruhen lassen, wird er seine Stärke wieder sammeln.  Diese geistige Stärke oder Kraft
wird als Unterstützung dienen, damit die Achtsamkeit und Weisheit weiterhin den Körper kontemplieren.
Die Betrachtung geschieht immer mit dem Ziel, die Vergänglichkeit des Körpers und das völlige Fehlen eines ‚Selbst‘ zu sehen.  Körperbetrachtung sollte zu einer regelmäßigen Praxis gemacht werden, und zwar, indem man den Körper immer und immer wieder auseinander nimmt.
Wenn auch immer Gemütserregungen entstehen, sollte man sie unmittelbar betrachten mit dem Bestreben, sie loszulassen. Ist Achtsamkeit fest im gegenwärtigen Moment errichtet, wird sie sich aller im Geist entstehenden Dinge bewusst sein.  Wenn auch immer Erinnerungen aufkommen, werden unsere Achtsamkeit und Weisheit ein geschicktes Mittel ausfindig machen, damit der Geist aufhört, in der Vergangenheit umherzuschweifen.  In ähnlicher Weise werden sich Achtsamkeit und Weisheit ebenso über das Entstehen aller Gedanken über die Zukunft bewusst werden und die Gedanken kontemplieren, um den Geist davon zu befreien.

Wenn Achtsamkeit und aus der Geistessammlung gewonnene, geistige Ausgeglichenheit den ganzen Tag über fortwährend aufrecht erhalten werden können, werden wir die Weisheit besitzen, um über die entstehenden Empfindungen von Gier und Wut oder Zufriedenheit und Unzufriedenheit nachzusinnen, und ihnen durch Loslassen ein Ende zu setzen. Folglich wird der Geist von Gedanken und Emotionen freigehalten werden.


Immer wenn der Geist frei von Gedanken und Emotionen ist, sollte man sich dem Untersuchen des
Körper zuwenden, weil zu diesem Zeitpunkt die eigene Achtsamkeit und Weisheit in der Lage sind, das Objekt ihrer Untersuchung klar zu sehen.  Lasst den Geist den Körper Stück für Stück auseinander nehmen, um die inhärente Vergänglichkeit des Körpers zu sehen.  Es ist in seiner Natur, schließlich auseinander zu brechen und zu zerfallen. Durch häufiges Untersuchen
werden die eigene Achtsamkeit und Weisheit an Erfahrung zunehmen und immerzu geschickter die Aufgabe der Kontemplation bewältigen.
Man kann Körperbetrachtung jederzeit praktizieren.  Wir können unser Bewusstsein auf den Körper richten mit dem Ziel, ihn auseinander brechen und zerfallen zu sehen, ob die Augen nun offen oder geschlossen sind.

Wir müssen den Körper häufig kontemplieren, wenn  wir den  Geist dazu bringen wollen, die Vergänglichkeit des Körpers und das Nichtvorhandensein eines ‚Selbst‘ zu erkennen.  Sobald
der Geist anfängt, dies klar zu sehen, wird er beginnen, allmählich seine Anhaftung und Identifikation mit dem Körper loszulassen.  Unsere verblendete Wahrnehmung hinsichtlich der
wahren Natur des Körpers fängt nun an nachzulassen und demzufolge werden ebenso die verunreinigenden Emotionen von Gier und Wut in Stärke nachlassen.  Der Geist wird jetzt
beginnen, die Früchte oder Erreichungen des Edlen Pfads zu verwirklichen, Stufe um Stufe, bis zur Erreichung der vollständigen Erleuchtung, oder mit anderen Worten, Nibbana, der Zustand der wahren Glückseligkeit und Befreiung.


Unser Übungspfad ist Sila, Samadhi und Panna, sittliche Tugend, Geistessammlung und Weisheit, zu entwickeln.  Dies ist der Weg, um nach und nach den geistigen Verunreinigungen von Gier, Hass und Verblendung ganz ein Ende zu setzen und somit unsere Herzen zu reinigen.  Dieser Weg wird unsere Herzen von allem Leid und aller Unzufriedenheit wegführen und uns damit zu Nibbana führen.
Unsere Praxis ist es daher, in jedem einzelnen Leben Güte in unserem Herzen zu entfalten.  Wir tun dies, indem wir sowohl sittliche Tugend, Geistessammlung und Weisheit entwickeln, als auch jede der zehn spirituellen Vollkommenheiten fortwährend aufbauen.  Jeder, der sich wünscht, das Leiden zu überwinden, muss die spirituellen Vollkommenheiten in seinem Herzen stärken.  

 

Beim Entwickeln der Paramis ist es wichtig, niemals zuzulassen, dass sich ein Gefühl von Entmutigung in das Herz einschleicht. Wir sollten diese sich jetzt bietende Gelegenheit zum Üben nutzen, solange wir noch bei guter Gesundheit sind.  Sollten wir jemals unseren Wunsch nach
wahrer Glückseligkeit oder nach der Überwindung von Dukkha verwirklichen, dann müssen wir in die Fußstapfen des Buddha und aller seiner Schülern, welche ein Arahant wurden, treten, denn der Pfad, auf dem sie gingen, führt zur ausnahmslosen Vernichtung aller Gier, allen Hasses und allen Leids im Herzen.  Deshalb müssen wir geduldig sein und uns beharrlich bemühen, nach und nach die spirituellen Vollkommenheiten zu entwickeln, ohne jemals mutlos zu werden.  

Als Laien, müsst ihr ständig  eure Arbeit, Aufgaben und familiäre Verpflichtungen verrichten, so  gut ihr könnt.  Die Arbeit, den Geist zu pflegen, ist jedoch eine Pflicht, die man gegenüber sich selbst hat.  Diese Aufgabe ist zu erledigen, indem wir uns geduldig und beharrlich bemühen, Sila,
Samaādhi und Panna zu entfalten, damit wir nach und nach unsere Herzen läutern können, bis sie dann schließlich rein sind.  Auf diese Weise bewirken wir, dass wahres Glück in unseren Herzen entsteht.


Heute habt ihr euch alle zum Vorsatz genommen, hierher ins Kloster zu kommen.  Einige von euch sind schon seit heute Morgen hier, als ihr zur Dana Spende (Lebensmittel- und anderer Bedarf) für die Mönche gekommen seid, und andere sind später am Abend gekommen mit dem Wunsch, die Sittenregeln einzuhalten und Meditation zu praktizieren.  Dabei verstärkt ihr allmählich die spirituellen Vollkommenheiten in euren Herzen.  

Und eben dies bedeutet, rechte Ansicht im Herzen zu besitzen.  Und wenn wir diese rechte Ansicht aufrechterhalten und weiterhin für den Rest unseres Lebens dementsprechend praktizieren können, dann werden wir, wenn wir sterben, sicherlich entweder im Menschen-, Deva- oder Brahmareich (20)  wiedergeboren werden.  Indem wir rechte Ansicht in unserem Herzen erhalten, werden wir auch weiterhin, die Ursachen und Bedingungen schaffen, welche zu einer Verringerung der Anzahl zukünftiger Leben führen, bis wir letztlich Nibbana verwirklichen werden.

Für heute Abend möchte ich euch dies so weit als Anregung zum Nachsinnen geben und diesen Vortrag hiermit beenden.

Anmerkungen

 

(1)  Dukkha.  Das Leid, die Unzufriedenheit.


(2)  Dhamma.  Die höchste Wahrheit: die rechte, natürliche Ordnung, die allem zugrunde liegt.  Die Lehre des Buddha.


(3)  Parami.  Die spirituellen Vollkommenheiten.  Dies sind die 10 spirituellen Vollkommenheiten, welche als Unterstützung zur Verwirklichung des Erwachens gepflegt werden:

 

1 Großzügigkeit;

2 Sittlichkeit;

3 Entsagung;

4 Erkenntnis, Weisheit;

5 Beharrlichkeit;

6 Geduld;

7 Wahrhaftigkeit - seinem Wort Treu Sein;

8 Entschlossenheit, Entschluss;

9 Wohlwollen;

10 Gleichmut.

 

(4)  Arahant.  Ein vollkommen erwachtes Wesen.

 

(5)  Dana.  Die Großzügigkeit.  Wörtlich: Gabe, Geschenk (Klaus Mylius).

 

(6)  Sila.  Die Sittenregeln, die Tugend, die Sittsamkeit.

 

(7)  Die fünf Regeln sind:

 

Es zu unterlassen, Lebewesen zu zerstören.

Es zu unterlassen, zu nehmen, was nicht gegeben ist.

Sich des sexuellen Fehlverhalten zu enthalten.

Sich der falschen Rede zu enthalten.

Sich der berauschenden, zur Unachtsamkeit führenden Getränke und Drogen zu enthalten.

 

(8) Die sechste Regel ist es zu unterlassen, zur falschen Zeit zu essen, d.h. in der Zeit

zwischen Mittag bis zum Sonnenaufgang.

Das siebte Regel ist sich der Unterhaltung, Verschönerung und Schmückung zu enthalten.

Das achte Regel ist es zu unterlassen, sich auf einem hohen oder einem luxuriösen Schlafplatz niederzulegen.

Beim Beachten der acht Regeln, gibt es jedoch eine wesentliche Änderung der fünf Regeln und zwar bei der dritten Regel.  Anstatt sich des sexuellen Fehlverhalten zu enthalten, ändert sie sich insofern, dass man sich jeglichen vorsätzlichen, sexuellen Verhaltens zu enthalten hat.

 

(9)  Nekkhama.  Die Entsagung.

 

(10)  Panna.  Die Erkenntnis, Einsicht, Verstand, Intelligenz, Weisheit (Klaus Mylius).

 

(11)  Khanti.  Geduldiges Ertragen, die Geduld, die Ausdauer.  Geduld, Nachsicht, Langmut (Klaus Mylius).

 

(12)  Viriya.   Das Bemühen, die Willenskraft, die Beharrlichkeit.  Ausdauer, Beharrlichkeit (Klaus Mylius).

 

(13)  Kilesa.  Die geistige Befleckung, die Verunreinigung.

 

(14)  Sacca.  Die Wahrhaftigkeit  -  seinem Wort Treu Sein.

 

(15)  Aditthana.  Die Entschlossenheit, der Entschluss.

 

(16)  Sotapanna.  Die erste Stufe des Edlen Pfads.

 

(17)  Metta.  Die Gutherzigkeit, die Güte, das Wohlwollen.

 

(18)  Upekkha.  Der Gleichmut.

 

(19)  Es gibt vier Erreichungsstufen des Edlen Pfads:

 

Die Erste: Sotapanna - Strom Eingetretene oder derjenige, der in den Strom eingetreten ist, der unweigerlich nach Nibbana fließt.

Die Zweite: Sakadagami - der Einmal-Widerkehrende.

Die Dritte: Anagami - der Nicht-Wiederkehrer.

Die Vierte: Arahant - ein voll erwachtes Wesen.

 

(20)  Himmlische Wesen aus reinstem Licht.  Ihre Existenz ist subtiler als die der Devata (himmlische Wesen, die Vergnügen mittels der fünf Sinne erleben).  Das haben sie der Feinheit ihres Geistes zu verdanken, welcher auf den Zustand der geistigen Vertiefung (Jhana) zurückgreifen kann.  Und somit verweilen sie in den höchsten himmlischen Gefilden.

© 2015 Übersetzt aus dem Englischen, Buddhistisches Nonnenkloster e.V.

 

Diese Übersetzung ist ein Dhamma-Geschenk.

Sie kann kopiert, ausgedruckt, veröffentlicht und verteilt werden, unter der Voraussetzung, dass

(1) die Kopien, etc. kostenlos zur Verfügung gestellt werden;  

(2) auf die Quelle dieser Übersetzungen hingewiesen wird; 

(3) sie nicht verändert werden.

Ansonsten sind alle Rechte vorbehalten.

© 2014 Buddhistisches Nonnenkloster e.V.

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